Tukan-Preis

Der Preis ist eine Auszeichnung für eine sprachlich, formal und inhaltlich herausragende literarische Neuerscheinung.

Über den Preis

Der Tukan-Preis, dotiert mit 8.000 Euro, ist eine Auszeichnung für eine sprachlich, formal und inhaltlich herausragende literarische Neuerscheinung eine*r Münchner Autor*in, unter Berücksichtigung der Qualität der bisherigen künstlerischen Arbeit der Autor*in. Der Preis wird jährlich verliehen. Die Verleihungsveranstaltung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Tukan-Kreis.

In die Auswahl kommen alle belletristischen Neuerscheinungen von Autor*innen, die in München/der Region München leben, (ausgenommen Veröffentlichungen im Selbstverlag oder in sogenannten Selbstkostenverlagen, als Book on Demand oder im Internet). Eigenbewerbung ist möglich, allerdings in den meisten Fällen nicht nötig. Die Neuerscheinungen werden im Kulturreferat anhand der Verlagskataloge erfasst. Eigenbewerbung empfiehlt sich, wenn das Buch in einem kleinen Verlag erscheint; in diesem Fall genügt eine informelle Meldung der Neuerscheinung mit  Verlagsangabe per E-Mail an katrin.dirschwigl@muenchen.de.
Die Jury trifft sich mehrmals, um über die Neuerscheinungen im Frühjahr und im Herbst zu beraten. Die Preisträger*innen werden von der Jury vorgeschlagen; die endgültige Entscheidung trifft der Kulturausschuss der Stadt.

Den Tukan-Preis erhielten

In Pierre Jarawans Roman „Frau im Mond“ gibt es einen Schlüsselmoment, dem das Buch auch seinen Titel verdankt.  Maroun el Shami, zehn Jahre alt, Immigrant aus dem Libanon, die Mutter vor Kurzem gestorben, sitzt 1931 in einem Kinosaal in Montreal. Die Hände zu Fäusten geballt, starrt der Junge wie hypnotisiert auf die Leinwand. Dort läuft Fritz Langs letzter Stummfilm „Frau im Mond“, ein frühes Science-Fiction-Epos, das an Raketen-Technik vieles vorwegnahm, was später im Apollo-Programm der NASA Realität werden sollte. Und auch der kleine Maroun kommt zu der Erkenntnis, dass jede noch so abwegige Idee Tatsache werden kann, wenn man nur beharrlich an sie glaubt. 35 Jahre später wird er eine Rakete ins All schießen. Vom Libanon aus.

Wie Fritz Lang setzt Pierre Jarawan auf Breitwand, wenn er von jener wahren, aber unglaublichen Geschichte der Lebanese Rocket Society erzählt. Und wie der Stummfilm hat auch sein Buch mit knapp 500 Seiten – nach heutigen Belletristik-Standards – deutlich Überlänge, was für den Autor und sein Lektorat geradezu verteidigungspflichtig gewesen sein dürfte. Da wagt also ein Vertreter der jungen Gegenwartsliteratur die Langstrecke, vertraut ganz nonchalant auf die alte Magie des Erzählens – und darauf, dass ihm die Leser*innen ausreichend Lebenszeit schenken. Was nicht selbstverständlich ist, denn Jarawan scheut weder Umwege noch kühne Ausschweifungen, in denen man sich verlieren könnte. Doch er behält er alle Fäden in der Hand, soviel in den 100 Jahren kanadisch-libanesischer Geschichte, die sein Roman umspannt, auch geschieht. Aus dem Jungen Maroun wird ein Raumfahrt-Ingenieur mit Visionen, er heiratet, verliert seine Frau, ebenso Tochter und Schwiegersohn; die Enkelinnen wachsen beim Großvater auf. Eine von ihnen, Lilit, ist die Ich-Erzählerin, die Chronistin dieser raffiniert mäandernden, an Geheimnissen und Magnetfeldern so reichen Familiengeschichte, die immer auch über sich hinausweist.

„Frau im Mond“ ist bildintensiv erzählt, in warmem, leichtem Ton, denn Jarawan liebt seine Figuren. Und doch ist dieses Buch kein kulinarischer Pageturner, durch den man sich mühelos hindurchsuchten könnte. Zu schwer sind die Themen: Menschen, die Flucht und Vertreibung erfahren, zwischen den Kulturen um Identität ringen. Der Genozid an den Armeniern zu Anfang des 20. Jahrhunderts kommt ebenso vor wie die Weltwirtschaftskrise, der Zweite Weltkrieg oder die aktuelle, desaströse Situation im Libanon. Das Buch steuert auf Beiruts ultimative Katastrophe zu, die verheerende Explosion im Hafen 2020. In 50 Kapiteln zählt Pierre Jarawan bis zu diesem Moment herunter, auch das eine Hommage an Fritz Lang, der in seinem Film „Frau im Mond“ einst den Countdown erfand. 

Nach „Am Ende bleiben die Zedern" (2016) und „Ein Lied für die Vermissten" (2020) ist „Frau im Mond“ (alle Berlin Verlag) der dritte Roman, den Pierre Jarawan der Heimat seines Vaters widmet. Es ist der Abschluss einer beeindruckenden Libanon-Trilogie. Und nach Ansicht der Tukan-Jury sein literarisch bisher überzeugendstes Buch.

Pierre Jarawan wurde 1985 in Amman, Jordanien, als Sohn eines libanesischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren. Er kam im Alter von drei Jahren nach Deutschland und wuchs in Kirchheim unter Teck auf. Er studierte an der Münchener Hochschule für Fernsehen und Film. Seine Romane „Am Ende bleiben die Zedern“ (2016) und „Ein Lied für die Vermissten“ (2020) wurden mit Preisen bedacht und in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Zudem spricht die Jury zwei weitere Buchempfehlungen aus

  • Slata Roschal: „Ich brauche einen Waffenschein / ein neues bitteres Parfüm / ein Haus in dem mich keiner kennt“ (Wunderhorn Verlag)
  • Ralf Westhoff: „Niemals Nichts“ (Rowohlt Berlin)

Jurymitglieder

Der Jury gehörten unter der Leitung von Kulturreferent Marek Wiechers an: Agnes Brunner (C.H. Beck Verlag), Jutta Czeguhn (Süddeutsche Zeitung), Pamela Scholz (Glockenbachbuchhandlung), Dr. Klaus Hübner (Literatur in Bayern, Münchner Feuilleton), Dr. Johannes John (Bayerische Akademie der Wissenschaften), Franz Xaver Karl (Bayerischer Rundfunk) sowie aus dem Stadtrat: Marion Lüttig (Fraktion Die Grünen-Rosa Liste), Thomas Niederbühl (Fraktion Die Grünen-Rosa Liste), Andreas Babor (Fraktion der CSU mit FREIE WÄHLER), Beatrix Burkhardt (Fraktion der CSU mit FREIE WÄHLER), Marian Offman (Fraktion SPD/Volt).

  • 2024: Dana von Suffrin
  • 2023
    Thomas Willmann
  • 2022
    Martin Kordić: „Jahre mit Martha“
  • 2021
    Fridolin Schley: „Die Verteidigung“
  • 2020
    Markus Ostermair: „Der Sandler“
  • 2019
    Herbert Kapfer: „1919. Fiktion“
  • 2018
    Susanne Röckel: „Der Vogelgott“
  • 2017
    Jonas Lüscher : „Kraft“
  • 2016
    Björn Bicker: „Was glaubt ihr denn. Urban Prayers“
  • 2015
    Lilian Loke: „Gold in den Straßen“
  • 2014
    Nina Jäckle: „Der lange Atem“
  • 2013
    Dagmar Leupold: „Unter der Hand“
  • 2012
    Marc Deckert: „Die Kometenjäger“
  • 2011
    Steven Uhly: „Adams Fuge“
  • 2010
    Benjamin Stein: „Die Leinwand“
  • 2009
    Robert Hültner: „Inspektor Kajetan kehrt zurück“
  • 2008
    Christine Wunnicke: „Serenity“
  • 2007
    Fridolin Schley: „Wildes schönes Tier“
  • 2006
    Friedrich Ani: „Idylle der Hyänen“
  • 2005
    Thomas Palzer: „Ruin“
  • 2004
    Thomas Meinecke: „Musik“
  • 2003
    Simon Werle: „Der Schnee der Jahre“
  • 2002
    Hans Pleschinski: „Bildnis eines Unsichtbaren“
  • 2001
    Uwe Timm: „Rot“
  • 2000
    Hassouna Mosbahi: "Rückkehr nach Tarschisch" und die Übersetzerin Regina Karachouli
  • 1999
    Susanne Röckel: "Chinesisches Alphabet – Ein Jahr in Shanghai"
  • 1998
    Günter Ohnemus: "Der Tiger auf deiner Schulter"
  • 1997
    Klaus Böldl: "Studie in Kristallbildung"
  • 1996
    Ernst Augustin: "Gutes Geld"
  • 1995
    Christine Scherrmann: "Frau mit grünen Schuhen", Hans Pleschinski: "Brabant"
  • 1994
    Maxim Biller: "Land der Väter und Verräter"
  • 1993
    Helmut Krausser: "Melodien"
  • 1992
    Uwe Dick: "Pochwasser. Eine Biographie ohne Ich"
  • 1991
    Günter Herburger: "Thuja"
  • 1989
    Herbert Achternbusch, Barbara Maria Kloos, Fred Hepp
  • 1987
    Uwe Dick, Eberhard Horst, Michael Wachsmann
  • 1985
    Walter Kolbenhoff, Hans F. Nöhbauer
  • 1983
    Michael Krüger, Rudolf Riedler, Barbara König, Carla Maria Heim, Jörg Graser, Grete Weil
  • 1981
    Hermann Stahl, Carl Borro Schwerla, Franz Freisleder, Dagmar Nick, Jörg Krichbaum, Barbara Bronnen
  • 1979
    Carl Amery, Janosch (Horst Eckert), Dr. Kurt Seeberger
  • 1977
    Ernst Günther Bleisch, Karl Hoche, Dr. Ursula Knöller, Irina Korschunow, Herbert Rosendorfer, Herbert Schlüter
  • 1975
    Wolfgang Bächler, Charlotte Birnbaum, Heinz Coubier, Armin Eichholz, Herbert Günther, Helmut Walbert
  • 1973
    Marianne Langewiesche, Dr. Wolfgang Petzet, Kuno Raeber
  • 1971
    Herbert Asmodi, Angelika Mechtel, Heinz Piontek, Martin Gregor–Dellin, Dr. Rolf Flügel
  • 1969
    Anton Sailer, Wilhelm Lukas Kristl, Christa Reinig, Günter Spang, Heinrich Fischer, Trankred Dorst
  • 1967
    Karl Ude, Oliver Hassencamp, Nina Keller
  • 1966
    Rudolf Schmitt–Sulzthal, Eugen Skasa–Weiß, Isabella Nadolny, Gunter Groll, Carola von Crailsheim, Curt Hohoff
  • 1965
    Otto Freiherr von Taube, Paul Mommertz, Georg Schwarz, Roland Ziersch, Alfons Freiherr von Czibulka, Horst Lange

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