Arbeitsstipendien für Münchner Autor*innen
Mit den Arbeitsstipendien fördert das Kulturreferat der Landeshauptstadt München literarische Projekte von etablierten Münchner Autor*innen.
Für literarische Projekte
Die Landeshauptstadt München vergibt alljährlich zwei mit je 8.000 Euro dotierte Arbeitsstipendien für Münchner Autor*innen, die sich mit ihrem Werk bereits literarisch ausgewiesen haben und im Literaturbetrieb in Erscheinung getreten sind: durch Veröffentlichungen in Verlagen, Lesungen, Auszeichnungen oder Rezensionen. In erster Linie werden Prosaprojekte aller Genres (Romane, Erzählungen, Romanbiografien, literarische Essays) berücksichtigt, es werden aber auch anspruchsvolle Lyrikprojekte in die Auswahl einbezogen.
Eigenbewerbung ist erforderlich.
Eine gleichzeitige Bewerbung für das Arbeitsstipendium und das Literaturstipendium der Stadt München (für Nachwuchsautorinnen und -autoren) ist nicht möglich.
Eine vom Stadtrat berufene Jury übernimmt die Auswahl aus den eingesandten Bewerbungen; die Entscheidung obliegt dem Stadtrat.
Das Arbeitsstipendium für Münchner Autor*innen erhielten
Jurybegründungen
Sandra Hoffmann: „Mogadischu“ (Romanprojekt)
Schon der Titel des Romanprojekts verweist chiffrenartig auf den Zeitraum, in dem der Text angesiedelt ist und in dem er sich, so die Arbeitsskizze, auch zum überwiegenden Teil bewegen wird: dem ‘deutschen Herbst‘ und seiner „bleiernen Zeit“ (Margarethe von Trotta), genauer der Spanne zwischen Ende August und Oktober 1977 mit der Entführung der Lufthansamaschine ‘Landshut‘, zuletzt nach Mogadischu.
Erzählt wird dabei rückblickend aus der Perspektive einer 57jährigen Ich-Erzählerin, was keineswegs zufällig dem Alter der Autorin entspricht, die zwischen 2002 und 2023 bereits sieben Romane vorgelegt hat und dafür – so zuletzt 2018 für den Roman „Paula“ – mehrfach ausgezeichnet wurde. Denn obwohl der Roman, so das Exposé, weder autobiographisch noch autofiktional sein will, lässt schon die eingereichte erste Szene auf einem an der Adria gelegenen Campingplatz im oberitalienischen Cesenatico eine aus eigener Erfahrung und Erleben geschöpfte Kenntnis und Vertrautheit mit der spezifischen Atmosphäre jener Jahre zwischen Aufbruch und Emanzipation sowie der daraus resultierenden Verunsicherung förmlich spürbar werden.
Der Sommerurlaub einer vierköpfigen Familie, die Eltern beide Mittdreißiger, findet ein jähes und vorgezogenes Ende, nachdem die als egozentrisch und dominant geschilderte Mutter mit dem fünfjährigen Sohn buchstäblich über Nacht verschwindet und den Vater mit seiner elfjährigen Tochter allein zurücklässt. Die Fülle und Detailgenauigkeit, mit der gerade Realien des damaligen Alltags plastisch vor Augen treten, steht dabei in einem ebenso produktiven wie konstitutiven Kontrast zu dem immer wieder zur Sprache gebrachten Misstrauen der eigenen Erinnerung gegenüber. Die Zweifel, ob sie trügt und die erinnerten Bilder und Dialoge womöglich auch ein postumes Konstrukt sein könnten, grundieren als stets präsente Skrupel den Text, ohne sich dabei plakativ in den Vordergrund zu drängen, und immunisieren ihn so zugleich gegen jeden Gestus historiographischer Deutungshoheit. Vieles bleibt in dieser Eingangssequenz (noch) rätselhaft, weckt aber die Neugier auf den weiteren Fortgang: wie sich in Mogadischu dann Familien- und Weltgeschichte verknüpft, wie und ob überhaupt das Verschwinden der Mutter aufgeklärt wird und welche Linien zuletzt vom Tod des Vaters am 7. Oktober 2023 zu den Anschlägen der Hamas auf israelischem Boden am selben Tag gezogen werden.
Thomas Lang: „Liebe und Furcht“ (Romanprojekt)
Thomas Lang schreibt einen Roman über Herman Melville, der seinerseits mit „Moby Dick“ einen der wichtigsten Romane der Weltliteratur geschaffen hat. Sich im verspiegelten intertextuellen Echoraum einer so bedeutenden Figur der Literaturgeschichte anzunähern, ist ein schriftstellerisches Vorhaben, dem man leicht mit Skepsis begegnen könnte, hätte Thomas Lang nicht längst bewiesen, dass er ihm gewachsen ist. Mit dem Roman „Immer nach Hause“ (2016) hat er sich schon einmal bravourös einem großen Schriftstellerleben anverwandelt – dem Hermann Hesses. Und auch diesmal beeindruckt Thomas Langs Umsetzung: durch den Mut, sich weit hineinzubegeben in dieses andere, längst vergangene Leben und zugleich durch das Geschick, sich nicht historisch pinselnd darin zu verlieren.
Über seinen (bisweilen aufs Schönste mäandernden) Erzähler Meander, ein erfolgloser Schriftsteller, der an einem Buch über Melville scheitert, findet er einen interessanten, beinahe schon ironischen Zugriff auf das große Thema. In der Meta-Ebene bequem macht es sich Thomas Lang aber nicht. Indem er beide Biographien gegeneinander laufen lässt, öffnet er Räume für verblüffend aktuelle Gegenwartsbezüge. Dass die narrativen Verschränkungen dabei nie aufdringlich forciert wirken, verdankt sich vor allem der schlafwandlerisch souveränen Sprachbehandlung. „Liebe und Furcht“ wirkt nicht nur in seiner Skizzierung facettenreich und bis tief in die Subebenen durchdacht, es ist stilistisch enorm fein gearbeitet. Eine klare, sichere Sprache, die nicht unnötig experimentiert, sondern sich ihrer selbst sicher sein kann, durch Geschliffenheit besticht und in ihrer Prägnanz unmittelbar wirkt.
Ein mutiges Romanprojekt, das sich um derzeit gängige Erfolgsrezepte nicht zu scheren scheint, sondern für seinen Gegenstand die spezifisch schlüssige Form gesucht und gefunden hat.
Mitglieder der Jury
Der Jury gehörten unter der Leitung von Kulturreferent Anton Biebl an: Agnes Brunner (C.H. Beck Verlag), Marianna Geier (Buchhandlung Buch & Bohne), Dr. Klaus Hübner (Literatur in Bayern, Münchner Feuilleton), Dr. Johannes John (Bayerische Akademie der Wissenschaften), Franz Xaver Karl (Bayerischer Rundfunk), Sabine Reithmaier (Süddeutsche Zeitung) sowie aus dem Stadtrat: Marion Lüttig (Fraktion Die Grünen-Rosa Liste), Thomas Niederbühl (Fraktion Die Grünen-Rosa Liste), Andreas Babor (Fraktion der CSU mit FREIE WÄHLER), Beatrix Burkhardt (Fraktion der CSU mit FREIE WÄHLER), Kathrin Abele (Fraktion SPD/Volt).
- 2023: Natalie Buchholz, Kilian Leypold
- 2022
Alexandra Blöchl, Jovana Reisinger - 2021
Barbara Yelin, Fridolin Schley - 2020
Björn Bicker, Sandra Hoffmann - 2019
Andrea Heuser, Norbert Niemann - 2018
Eva Gesine Baur / Lea Singer, Lena Gorelik - 2017
Christoph Poschenrieder, Susanne Röckel - 2016
Kilian Leypold, Franz Maria Sonner - 2015
Fabienne Pakleppa, Sylvia Kabus