Tanzstipendien
Mit dem Tanzstipendium soll die künstlerische Weiterbildung bzw. die Erarbeitung eines neuen künstlerischen Konzepts gefördert werden.
Über die Förderung
Die Landeshauptstadt München vergibt jährlich Arbeits- und Weiterbildungsstipendien im Bereich Tanz in Höhe von maximal 8.000 Euro. Mit dieser Förderung soll die künstlerische Weiterbildung beziehungsweise die Erarbeitung eines neuen künstlerischen Konzepts unterstützt werden.
Mit den projektbezogenen Stipendien sollen sowohl jüngere als auch etablierte Tanzschaffende unterstützt werden. Es besteht keine Altersbegrenzung. Die eingereichten Vorschläge werden durch die Freie-Tanzschaffenden-Jury bewertet.
Das Tanzstipendium erhielten
Léonard Engel: Ekstase als verkörpertes Bewusstsein
Im Zuge seiner geplanten Arbeitsrecherche „Ekstase als verkörpertes Bewusstsein. Eine Recherche zu ekstatischen Zuständen und der Beziehung zwischen Performer*in und Publikum“ geht es für Engel darum, die Schnittstelle zwischen (geistiger) Ekstase / Trance und der reellen Verkörperung im Tanz und in der Bewegung zu untersuchen. Besonders relevant scheint für den Choreographen die Analyse zu sein, wie sich die subjektive Wahrnehmung veränderter Bewusstseinszustände der Tänzer*innen auf die Zuschauer*innen überträgt. Anhand von eigenen Studioexperimenten, interdisziplinärer Recherche und Community-Workshops will sich Engel dem jahrtausendealten, spannenden Thema der Ekstase annähern und dieses in die Gegenwart überführen. Da der Choreograph bereits in früheren Arbeiten bei seiner tänzerischen Umsetzung wissenschaftlich-diskursiver Vorarbeit überzeugen konnte, empfiehlt die Jury die Förderung des Stipendiums in Höhe von 8.000 Euro.
Stephanie Felber: Körpergedächtnis
Stephanie Felber stellt mit ihrem Rechercheantrag eine hochaktuelle Frage: Wie schreiben sich soziale Umbrüche, Migration, Machtverhältnisse und kulturelle Verschiebungen in den Körper ein? Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit dem Körper als Archiv sozialer, kultureller und politischer Erfahrungen. Er wird dabei nicht als passives Medium, sondern als aktives, lebendiges Archiv verstanden und als Ort gesellschaftlicher Aushandlung gedacht. Die körperlichen Dimensionen von Migration, Erinnerung und Zugehörigkeit werden jenseits linearer Erzählformen reflektiert und durch einen choreographischen Zugang untersucht, der Bewegung als Mittel der Spurensuche nutzt. Der Antrag überzeugt auch durch seinen interdisziplinären Ansatz und die angestrebte Kooperation mit Institutionen im baltischen Raum, welche einen produktiven Kontext für die Untersuchung von Körperbildern im Spannungsfeld von Tradition und Wandel verspricht. Die Jury empfiehlt daher eine Förderung des Recherchevorhabens in Höhe von 8.000 Euro.
Marie Amie N Dey Georgsson Jammeh: Somatic Abolitionism – Weiterbildung zum Atem-Körper-Verhältnis
Amie Jammeh ist eine Grenzgängerin zwischen freier Szene und Stadttheater. Seit 2020 überzeugt sie als Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele und bewegt sich in verschiedenen Kontexten der Kunst- und Kulturszene. Ausgebildet an der Iwanson München repräsentiert sie eine der wenigen POC-Positionen im Tanz in München. Mit einem Stipendium möchte sie sich genau dieser Thematik annähern und im Rahmen von „Somatischer Abolitionismus“ eine körperbasierte Recherche durchführen. Aufbauend auf der Methode von Resmaa Menakem und angebunden an eine Ausbildung am Cultural Somatic Institute stellt ihr Projekt das Nervensystem und damit verbundene Traumata ins Zentrum, um sich mit Resilienz und Fürsorge im Kontext von Rassismus zu beschäftigen. Durch Workshops sollen nachhaltige, traumasensible Räume geschaffen werden, die Möglichkeiten zur intersektionalen und inklusiven Weitergabe bieten. Besonders hervorzuheben ist die künstlerische wie gesellschaftliche hohe Relevanz der Verbindung von Tanz, somatischer Praxis und Community-Arbeit. Die Jury spricht sich für eine Förderung von 8.000 Euro aus, um diese wichtige Praxis des Körpers weiterzugeben.
Kolja Huneck: Wachs & Wasser
Kolja Huneck möchte in „Wachs & Wasser – Zirkus zwischen Form und Formbarkeit“ eine Recherche zu Material, Wandel und ökologischer Verantwortung durchführen. Bereits seine vergangene Arbeit „Symbiosis“ (2024) im Domzelt am Mariahilfplatz begeisterte das Publikum durch eine hohe Reflexionskraft von Materialitäten, einen poetischen Zugriff und virtuose Körperlichkeit. Die geplante Auseinandersetzung mit Wachs, Eis und Wasser, inspiriert von posthumanistischen Theorien und aktueller Umweltforschung, eröffnet Fragen nach ökologischen Kipppunkten, Biodiversität und nicht-menschlicher Agency. Das lässt erwarten, dass die Freude an Körperkünsten dabei erneut auf einen ernsthaften, künstlerisch und gesellschaftlich relevanten Forschungsansatz trifft. Hunecks Fähigkeit, zeitgenössischen Zirkus neu zu denken und Materialien lebendig werden zu lassen, überzeugt die Jury. Sie spricht ein Stipendium in Höhe von 8.000 Euro aus.
Andrea Marton: Throw a stone into the water
In der Zusammenarbeit von Andrea Marton und Vanessa Thron begegnen sich ein langjährig im Tanz erfahrener und ein bewegungseingeschränkter Körper. Gemeinsam stellen sie zentrale Fragen zur tänzerischen Erschließung körperbiografischer Ausdrucksformen jenseits von physischer „Ability“. Mit ihrem Recherchevorhaben sollen neue methodische Zugänge zur „Corpoliteracy“ im Tanz erprobt werden und der Tanz als dialogische, körperdiverse Praxis erfahrbar gemacht werden. Das Projekt hinterfragt damit gängige Narrative zu Alter, Beeinträchtigung und Körpernormen und eröffnet ästhetisch wie gesellschaftlich relevante Perspektiven auf einen inklusiven Tanzbegriff. Die Jury sieht in dem Recherchevorhaben einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarkeit marginalisierter Körper im Tanz und empfiehlt daher eine Förderung in Höhe von 8.000 Euro.
Emmanuelle Rizzo: Movement Diary-Postpartum
Fragen zu Schwangerschaft und Elternschaft in Tänzerkarrieren, lange Zeit marginalisiert, rücken zunehmend in den Fokus, innerhalb der Tanzszene wie auch in der Öffentlichkeit. Die Münchner Tänzerin Emmanuelle Rizzo – die sich auch seit 2020 mit eigenen Stücken einen Namen gemacht hat – ist in der hiesigen Szene sowie deutschlandweit und international aktiv und beeindruckt stets durch ihre tänzerischen Qualitäten in unterschiedlichsten choreographischen Kontexten. Am eigenen Beispiel hat sie in einem künstlerischen Rechercheprozess – gefördert vom BLZT – die körperlichen Veränderungen während der Schwangerschaft und deren Auswirkungen auf die Bewegung dokumentiert und dabei über Social Media in der Community einen Austausch gestartet. In ihrem Stipendiumsprojekt „Postpartum“ widmet sie sich nun dem Körper, der nach der Geburt eine neue Form sucht, um auf die Bühne zurückzukehren. Die Video-Dokumentation wird flankiert von einem Podcast. Dessen Themen – physische und emotionale Aspekte der körperlichen Transformationen, Fragen nach den Möglichkeiten des Wieder- und Weiter-Tanzens, von Elternschaft und Präsenz auf der Bühne, das Aushandeln von professionellem Zeitdruck und persönlichen Bedürfnissen – und die Integration von Stimmen anderer tanzender Mütter versprechen Zugänge zu intimen und prinzipiellen Aspekten des Tanzschaffens. Daher empfiehlt die Jury die Förderung des Stipendiums in Höhe von 8.000 Euro.
service not included GbR: UNTITLED 1,2 Step (AT)
Der Antrag von service not included GbR präsentiert ein durchdachtes und innovatives Konzept. Die partizipative Herangehensweise, die das Publikum aktiv in den kreativen Prozess einbezieht, ist nicht nur zeitgemäß, sondern fördert auch eine tiefere Verbindung zwischen Künstler*innen und Zuschauenden. Dies trägt dazu bei, eine inklusivere Kultur zu schaffen, die die Vielfalt der Münchner Bevölkerung widerspiegelt. Die interdisziplinäre Verknüpfung von Tanz, bildender Kunst und Künstlicher Intelligenz eröffnet spannende Ebenen, die sowohl die ästhetische als auch die technische Dimension des Tanzes weiterentwickeln. Die Einbeziehung von Motion Capturing als kreatives Element ermöglicht innovative Ausdrucksformen und führt zu einer erweiterten Wahrnehmung der Bewegungen der Tänzer*innen. Durch die gezielte Ansprache verschiedener Publikumsgruppen bietet das Projekt die Möglichkeit, unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen und das Interesse an zeitgenössischem Tanz zu fördern. Insgesamt zeigt der Antrag von service not included GbR eine klare Vision, deren gelungene Umsetzung bereits in vorherigen Produktionen bewiesen wurde. Daher empfiehlt die Jury die Förderung des Projektes in Höhe von 8.000 Euro.
Diego Tortelli und Miria Wurm GbR: Static Noise – eine Recherche
Bei ihrer Arbeitsrecherche zu „Static Noise“ möchte sich das Kollektiv Diego Tortelli und Miria Wurm mit der spektakulären Untersuchung von Daniel Kahnemann, Cass R. Sunstein und Olivier Sibony auseinandersetzen, wie zufälliges Rauschen („Noise“) in Entscheidungsprozessen Fehler verursachen und die Leistung in jeder Branche untergraben kann. Reelles Ergebnis der Vorrecherche soll das für 2027 geplante Tanzstück „Static Noise“ sein. Dreh- und Angelpunkt wird hierbei die größte „Fehlerquelle“, der Mensch selbst, werden, indem das Publikum in die Produktion eingebunden und diese auf seine Weise experimentell mitlenken wird. Da das Künstlerduo einen festen Bestandteil der freien Münchner Tanzszene darstellt und für deren Sichtbarkeit regional wie überregional einsteht (u.a. Beitrag beim International DANCE Festival München 2025), ist es der Jury ein Anliegen, diese Recherche mit komplexer Thematik zu unterstützen. Die Jury empfiehlt die Förderung des Arbeitsstipendiums in Höhe von 8.000 Euro.
- 2025
Matteo Carvone; Cristina D’Alberto; Diego Tortelli & Miria Wurm GbR; Sahra Huby; Judith Hummel; Jasmine Ellis Projects gUG; Jin Lee; Quindell Orton - 2024
Alina Belyagina; Bruch GbR; Léonard Engel; Playground GbR; Alfredo Zinola - 2023
Manasvini K. Eberl; Stephanie Felber; Lena Grossmann; Stephan Herwig; Judith Hummel; Nicola Kötterl; Playground GbR - 2022
Alina Belyagina, Léonard Engel, Judith Hummel, Kathrin Knöpfle, Sabine Karb, Simone Lindner-Bungert, Katja Wachter, - 2021
Callie Arnold, Sophie Becker, Sahra Huby, Kolja Huneck, Carolin Jüngst, Quindell Orton, Susanne Schneider, Lucy Wilke - 2020
Sandra Chatterjee, Leonard Engel, Angela Guerreiro, Mario Lopes Vieira da Silva, Ceren Oran, Zufit Simon, Alfredo Zinola - 2019
Ingeborg Maria Engel, Sabine Glenz, Martina La Ragione, Katrin Schafitel, Rosalie Wanka - 2018
Sandra Chatterjee, Léonard Engel, Stephanie Felber, Ceren Oran - 2017
Anna Donderer, Judith Hummel, Katrin Schafitel, Zufit Simon - 2016
Stephanie Felber, Sarah Huby, Mia Lawrence, Ceren Oran - 2015
Stephan Herwig, Sarah Huby, Judith Hummel, Alfredo Zinola - 2014
Annett Göhre, Yvonne Pouget, Micha Purucker, Mey Sefan, Sarah Israel (Debütförderung)