"Nie wieder" ist jetzt!

Auszüge aus der Rede von Oberbürgermeister Dieter Reiter anlässlich des 80. Jahrestages des Kriegsendes, gehalten am 8. Mai 2025 im Münchner NS-Dokumentationszentrum

08. Mai 2025

Pressemitteilung vom 8. Mai 2025

Prof. Dr. Miriam Zadoff, OB Dieter Reiter, Ernst Grube (Münchner Ehrenbürger und Holocaust-Überlebender) und Dr. Theo Waigel (Ehrenvorsitzender der CSU)
LHM / Nagy
v.l.: Prof. Dr. Miriam Zadoff, OB Dieter Reiter, Ernst Grube (Münchner Ehrenbürger und Holocaust-Überlebender) und Dr. Theo Waigel (Ehrenvorsitzender der CSU)

"Nie wieder" ist jetzt!

OB Reiter spricht zur Wiedereröffnung des NS-Dokuzentrums
LHM / Nagy
OB Dieter Reiter spricht bei der Wiedereröffnung des NS-Doku-Zentrums anlässlich des 80. Jahrestages zum Kriegsende

Am 8. Mai diesen Jahres hat sich das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa zum 80. Mal gejährt. Der 8. Mai 1945 war der Tag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht und der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus.

In München hieß es damals bereits eine Woche zuvor: „Der Krieg ist aus!“ Das war am 30. April 1945, als die ersten amerikanischen Truppen den Marienplatz erreichten. Damit war die NS-Terrorherrschaft in der sog. „Hauptstadt der Bewegung“ beendet. Einen Tag zuvor hatten Einheiten der US-Armee das KZ Dachau befreit.

Für uns alle, die wir in der Verantwortung sind, aus der Geschichte zu lernen und niemals wieder in unmenschliche Barbarei zu verfallen, sind solche Jahrestage unentbehrliche Stationen der Selbstvergewisserung und der Mahnung, dass wir es ernst meinen mit dem „Nie wieder!“ und unserem unbeugsamen Eintreten für Demokratie, Freiheit und den Schutz der Menschenwürde.

Umso erschreckender ist das Ergebnis einer erst jüngst von der Wochenzeitung „Die Zeit“ in Auftrag gegebenen Untersuchung zur Haltung der Deutschen zur NS-Vergangenheit. Danach will eine Mehrheit der Bevölkerung, 55 Prozent der Befragten, einen Schluss-Strich unter ebendiese NS-Vergangenheit ziehen.

All jenen Leuten, die unsere Vergangenheit am liebsten ein für alle Mal begraben möchten, sage ich mit den eindringlichen Worten Max Mannheimers: „Ihr seid nicht für das verantwortlich, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon!“

Und genau deshalb wäre es absolut fatal, die Vergangenheit einfach abzuhaken. Denn „wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Und wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren“ (Richard von Weizsäcker in seiner Rede 1985 vor dem Deutschen Bundestag anlässlich des 40. Jahrestages der deutschen Kapitulation).

Es geht darum, aus der Vergangenheit Orientierung für die Gegenwart und die Zukunft zu gewinnen. Diese Orientierung brauchen wir heute mehr denn je. Denn unsere Demokratie ist definitiv gefährdet. Und von alleine wird uns unsere Demokratie nicht bleiben.

Inzwischen hat eine Partei, bei der das Bundesamt für Verfassungsschutz genug tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen sieht und diese in ihrer Gesamtheit deshalb seit dem 2. Mai 2025 als "gesichert rechtsextremistisch" einschätzt, so hohe Zustimmungswerte wie noch nie. Eine Partei, in der sich Rechtsextreme, Rassisten, Antisemiten und Verfassungsfeinde tummeln, eine Partei, in der völkische Ideologien verbreitet sind und die die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus am liebsten aus dem öffentlichen Gedächtnis streichen würde.

Zum Glück gibt es aber auch ermutigende Signale: etwa die Hunderttausende von Menschen, die hier im Februar auf der Münchner Theresienwiese gegen Rechtsextremismus und für Demokratie demonstriert haben. Mut machen mir auch jede und jeder Einzelne, die im Alltag Zivilcourage zeigen und eingreifen, wenn historische Tatsachen mutwillig verdreht, gegen Minderheiten gehetzt und Menschen herabgewürdigt werden.

Nach wie vor gilt daher unser Anspruch, unser Versprechen und unsere Pflicht, gemeinsam wachsam zu bleiben, Gefahren für die Demokratie zu erkennen, Diskriminierung und Ausgrenzung entgegenzutreten, und Gegenwart und Zukunft so zu gestalten, dass das Adorno‘sche „Nie wieder!“ unser oberstes Ziel bleibt. Zu ergänzen ist allerdings: „Nie wieder ist jetzt!“ Wir alle sind jetzt gefragt und gefordert!