Einzelprojektförderung für Freie Tanzschaffende

Professionell arbeitende Künstler*innen und Gruppen können eine Projektförderung im Bereich Tanz beantragen.

Über die Förderung

Gefördert werden die Vorhaben professionell arbeitender Künstler*innen und Gruppen, die bereits erste künstlerische Erfolge in den freien darstellenden Künsten vorweisen. Die Projekte sollen über einen eigenständigen ästhetischen Ausdruck verfügen, relevante Diskurse der Gegenwart reflektieren und eine Bereicherung für die freie Münchner Szene darstellen.

Die maximale Förderungshöhe für Einzelprojekte beträgt 100.000 Euro. Es erfolgt eine Förderung der Produktion und einer begrenzten Zahl von Aufführungen. Komplementärfinanzierungen sind schlüssig nachzuweisen.

Die Förderung richtet sich an Künstler*innen aller Altersgruppen. Für den Beginn der künstlerischen Laufbahn ist die Debütförderung vorgesehen.

Die Einzelprojektförderung für Freie Tanzschaffende erhielten

Cristina D’Alberto: About TIME (AT)
Das immersive Tanzprojekt – geplant mit drei Vorstellungen in der Münchner Stadtbibliothek in Kooperation mit dem PATHOS-Theater – verbindet die thematischen Stränge intergenerationelle Körperlichkeit, persönliche Narrative, kollektive Erinnerung und Wissensvermittlung sowie die Reflexion über das Phänomen Zeit. „About TIME“ (AT) konnte die Jury als vielversprechendes Mehrgenerationenprojekt mit einer nachhaltigen Thematik und Besetzung aus erfahrenen Persönlichkeiten aus der Münchner Tanzszene (Konstantin Trein, Artemis Sacantanis, Daniela Graça Schankula, Quindell Orton, David Russo, Chris-Pascal Englund Braun) überzeugen. Besonders ansprechend sind der konkrete lokale Bezug, die Arbeit mit Künstler*innen aus München sowie der Umgang mit dem öffentlichen Raum, der eine Sichtbarkeit und besondere Zugänglichkeit des niederschwelligen Projekts verspricht. Die Jury begrüßt dieses Vorhaben und empfiehlt daher die Förderung des Projekts in Höhe von 67.500 Euro.

Stephan Herwig: Revisit, Unravel & Renewal (AT)
Zum 20-jährigen Jubiläum seiner ersten abendfüllenden Produktion plant Stephan Herwig eine neue installative Arbeit im schwere reiter. Im Zentrum steht dabei ein choreographisches Labor, in dem gemeinsam mit Wegbegleiter*innen frühere Arbeiten neu erforscht, weiterentwickelt und transformiert werden sollen. Herwig geht es dabei um die Frage, wie sich (seine) choreographische Praxis über die Zeit hinweg verändert, wie Erinnerungen in Körpern gespeichert werden und welche neuen Perspektiven sich durch die erneute Auseinandersetzung mit choreographischen Aufgaben eröffnen. In einer offenen Raumstruktur soll sich das Publikum im schwere reiter frei bewegen und selbst entscheiden können, wie lange und intensiv es an einzelnen Prozessen teilhaben möchte. Diese Bewegungsfreiheit soll dazu einladen, in einen meditativen Zustand einzutauchen, welcher die Übergänge zwischen Performance, Archiv und gegenwärtiger Erfahrung individuell erlebbar macht. Herwigs künstlerische Rückschau ist damit keine nostalgische Geste, sondern ein bewusstes Experimentieren mit dem Weitergeben und Verändern von körperbasiertem Wissen im Sinne eines lebendigen Archivs. Die Jury sieht in Herwigs Vorhaben großes Potenzial, neue und spannende Perspektiven auf das bisherige Werk des Choreographen freizulegen. Seit zwei Jahrzehnten prägt er mit kontinuierlich überzeugenden Arbeiten die Münchner Tanzszene und hat sich so als wichtige Stimme etabliert. Das Jubiläum nutzt er nicht nur als Anlass zum Rückblick, sondern als Moment der kritischen Reflexion und Neuausrichtung. Die Jury begrüßt dieses Vorhaben und empfiehlt daher die Förderung des Projekts in Höhe von 96.741 Euro.

Hannah Kriesmair: Joan of Arc
Hannah Schillinger (bürgerlich: Kriesmair) ist eine Neuentdeckung in der Münchner Tanzszene. Ausgebildet an der Iwanson München, der Universität der Künste Amsterdam sowie am HZT der Universität der Künste Berlin bringt Schillinger ein breites Spektrum an Bewegungspraxis mit und hat bereits eine überregionale Vernetzung von Arbeitskontexten in München und Berlin etabliert. Entlang von Themen wie Ökologie, Virtualität und Aktivismus zeugen Schillingers Projekte von einer Tiefe im Zugriff, die in ihrer Aktualität durchdacht und innovativ sind. Hierfür erforscht sie an der Schnittstelle von körperlicher Praxis und Diskurs einen metamodernen Körper: also auf der Basis des eigenen Bewegungsspektrums und seiner Erfahrungen und Prägungen den Körper als Ausdruck wie auch in seiner Materialität, um ‚modernes Wissen‘ zu befragen und so neue Imaginationen in Relation zu Raum und Zeit zu entwerfen. Das aktuelle Projekt „Joan of Arc" möchte Fragmente aus Schillers Klassiker „Die Jungfrau von Orleans“ (1801) aus einer zeitgenössischen und choreographischen Perspektive queer-feministisch, klassenbewusst und im Kontext aktueller Care-Diskurse neu interpretieren. Ergänzt um popkulturelle und postmoderne Einflüsse wird das Stück Tanz, Text und Gesang zu einer vielstimmigen, sinnlich-politischen künstlerischen Auseinandersetzung verbinden. Im Zentrum steht die Frage nach einer gewaltfreien, kreativen Form von Aktivismus und die Suche nach kollektiver Stärke. Durch die Neuüberschreibung patriarchaler Narrative in der Beschäftigung mit der historischen Figur Johanna von Orleans möchte Schillinger einen Raum des Empowerments schaffen und so ihre Arbeit für queere und marginalisierte Perspektiven öffnen.

Schillingers Debüt „field work“ wurde im Rahmen der Tanzwerkstatt Europa 2025 in München gezeigt – eine außergewöhnliche Auszeichnung für ein*e Nachwuchskünstler*in. Mit der Einzelprojektförderung für das Anschlussprojekt möchte die Jury diese Auszeichnung unterstützen und empfiehlt eine Förderung in Höhe von 54.000 Euro.

Jin Lee: NAMI
Der Antrag von Jin Lee für das Einzelprojekt „NAMI“ verspricht eine außergewöhnliche Tanzperformance mit künstlerischer und emotionaler Tiefe. Jin Lee hat sich als talentierte und sensible Künstlerin etabliert, deren Arbeiten das Potenzial haben, bedeutende Impulse in der Münchner Tanzszene zu setzen. Mit „NAMI“ greift sie ein Thema auf, das von großer persönlicher und gesellschaftlicher Relevanz ist: die komplexe Beziehung zwischen Mutter und Tochter, die Suche nach mütterlicher Liebe und die Bereitschaft zur Veränderung.

Da Jin Lee bereits in der Vergangenheit von der Landeshauptstadt München ein Stipendium zur Bearbeitung dieser Themen erhalten hat, wäre eine weitere Förderung eine folgerichtige und konsequente Entscheidung. Ihre vorherige Arbeit zeigt, dass sie in der Lage ist, komplexe Emotionen und Beziehungen auf eine Weise zu choreographieren, die das Publikum in ihren Bann zieht und weit über die Performance hinaus zum Nachdenken anregt. Die Jury ist auch überzeugt von der stimmigen Teamzusammenstellung, die Jin Lee für dieses Projekt gewählt hat. Die Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen, die unterschiedliche Perspektiven und Stile einbringen, zeigt ihre Offenheit für die Vielfalt im Tanz. Obwohl sie einen klaren eigenen Stil entwickelt hat, ist sie bereit, sich von anderen inspirieren zu lassen und bereichert dadurch nicht nur ihre eigene Arbeit, sondern auch das künstlerische Umfeld in München.

Insgesamt überzeugt der Antrag durch seine klare künstlerische Vision und die emotionale Tiefe, die Jin Lee in ihre Arbeiten einbringt. „NAMI“ hat das Potenzial, das Publikum auf eine transformative Reise mitzunehmen. Um Jin Lee in ihrer künstlerischen Entwicklung zu fördern und einen wertvollen Beitrag zur kulturellen Vielfalt in München zu unterstützen, empfiehlt die Jury eine Förderung des Projekts in Höhe von 48.500,01 Euro.

Quindell Orton: Making of an Animal (AT)
Quindell Orton, dem Münchner Publikum aus den Performances von Anna Konjetzky lange bekannt, entwickelte sich in den vergangenen Jahren zu einer vielversprechenden Choreograph*in. Mit der Lecture Performance „Making of a man“ gelang ein Debüt, das in seiner Reflexivität von soziopolitischen und genderspezifischen Themen und in seiner Unterhaltsamkeit und Vermittlung überzeugte. Dabei setzte Orton einen vielseitig ausgebildeten Tänzer*innenkörper als Projektionsfläche männlicher Verhaltensweisen wie auch die eigene queere Identität zur kritischen Bespiegelung dieser Verhaltensweisen ein.

Mit der Performance „Making of an Animal“ soll die Befragung von Körperpolitiken fortgeführt werden. Künstlerisch-konzeptionell wird dabei der Zusammenhang von Körper, Sprache, Bild und Macht anhand der Praxis der Animalisierung untersucht: als Mechanismus der Entmenschlichung, im Kontext gesellschaftlicher Hierarchien und Möglichkeit der Legitimation von Gewalt. Mittel, um sich dieser Hybridisierung von Mensch und Tier anzunähern, sind – wie schon in der vergangenen Arbeit – Live-Kamera, Stimme und Verkörperung. Überzeugend ist dabei die diskursive Durchdringung aus intersektionaler, queer-feministischer Perspektive, durch welche nicht nur ästhetisch potenziell neue Zugänge geschaffen, sondern auch Fragen nach Empathie, Macht und Zugehörigkeit im gesellschaftlichen Miteinander kritisch ausgelotet werden. Die Jury möchte das Potenzial Quindell Ortons unterstützen und empfiehlt eine Förderung des Projekts in Höhe von 60.000 Euro.

Micha Purucker: just what is it…(AT)
Micha Purucker zählt zu den Pionier*innen der freien Tanzszene in München, ist seit den 1980er Jahren aktiv und hat bis heute mit seinen künstlerischen Ansätzen wechselnde Jurys überzeugt. In seinen Körper-Untersuchungen hat er sich, immer wieder, speziell auch mit brisanter bildender Kunst auseinandergesetzt, mit deren Intensitäten, Gesellschaftskritik und utopischem Potential. Ausgangspunkt für sein aktuelles Projekt ist eine Inkunabel der Pop Art, Richard Hamiltons ironische Collage „Just What Is It That Makes Today’s Homes So Different, So Appealing?“, 1956 entstanden für die Londoner Ausstellung „This Is Tomorrow“. Diese Gegenwartsfrage stellt Purucker heute wieder: Wie schaut die Kunst, wenn nicht in die Zukunft hinein, auf die digital möblierte Gegenwart? In der weiter gesteigert Lifestyle befeuert wird, Selbstinszenierungen konkurrieren – im Rahmen globalen, schrankenlosen Konsums. Purucker will in seinem Stück Zentrum und Peripherie als Gegensätze konstellieren, quasi die Sofalandschaft der Repräsentation, des Stylings, des kontrollierten gelingenden Lebens mit den Randbereichen des „Unschönen“ und „Pathologischen“ konfrontieren. Hier sollen durch performative Bearbeitung heutige Selbst-Bilder und ihre Dynamiken sichtbar gemacht werden. Was ist mit Selbstinszenierungen und -optimierungen gewonnen und nach welchen Kalkülen laufen sie ab? Das sind Fragen, denen Purucker nachgehen möchte. Das verspricht neben der zu erwartenden Qualität des Casts und des Teams eine spezielle choreographische Herausforderung. Die Jury empfiehlt eine Förderung des Projekts in Höhe von 43.955 Euro.

Riess Neustadt GbR: THIS TOMORROW (AT)

Die Tänzerin Tasha Hess-Neustadt und der Tänzer Fabian Riess machten in München seit der Plattform Hier=Jetzt 2022 auf sich aufmerksam mit Projekten, die mit der physischen Einschränkung von Bewegung arbeiteten. Das Stück „LOT“, in dem ein Pendel das Timing und den Bewegungsansatz vorgab, wurde mithilfe der städtischen Debütförderung 2023 realisiert. Im Rahmen ihrer Untersuchung somatischer Qualitäten widmet sich das 2020 gegründete Kollektiv Riess Neustadt in ihrem neuen Projekt nun verstärkt „internen“ Faktoren: ausgehend vom „Bounce“, einem kleinen Sprung, der sich rhythmisch, quasi ad infinitum fortsetzen lässt. Die geplante choreographische Erkundung des Bewegungsspielraums und der Variationsmöglichkeiten, der Gemeinsamkeit des Tanzens, der physischen Erschöpfung, der sich dabei zeigenden Emotionalität und Intimität – sie lassen sich verknüpfen mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen der Resilienz und des Weitermachens. Als Tanzende haben Riess und Hess-Neustadt auch in Stücken anderer Münchner Tanzschaffender begeistert. Auch in dieser Produktion nun werden somatische Intensitäten und Feinheiten für das Publikum aus der Nähe erlebbar. Das Soundkonzept in Zusammenarbeit mit Ben Meerwein klingt ebenfalls vielversprechend. In diesem Stück wird Tanzpraxis gleichsam als Modell vorgeschlagen für Beharrlichkeit, für Kontinuität und Veränderung, für „gemeinsames Weitermachen“. Entsprechend empfiehlt die Jury die Förderung des Projektes in Höhe von 49.910 Euro.

  • 2025
    Alina Belyagina; Bruch GbR; Léonard Engel; Lena Grossmann; Micha Purucker; Rykena/Jüngst GbR
  • 2024
    Stephanie Felber; Stephan Herwig; Kolja Hunek; Jasmine Ellis; Anna Konjetzky/Orten/Schneider/Huby; Jin Lee und Jihun Choi; Micha Purucker; Rosalie Wanka
  • 2023
    Matteo Carvone; Sandra Chatterjee; Leonard Engel; Stephanie Felber; Anna Konjetzky; Micha Purucker; Katja Wachter; Alfredo Zinola
  • 2022
    Diego Tortelli & Miria Wurm GbR; Jasmine Ellis Felber; Stephan Herwig; Micha Purucker; Zufit Simon

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