Einzelprojektförderung für Freie Tanzschaffende

Professionell arbeitende Künstler*innen und Gruppen können eine Projektförderung im Bereich Tanz beantragen.

Über die Förderung

Gefördert werden die Vorhaben professionell arbeitender Künstler*innen und Gruppen, die bereits erste künstlerische Erfolge in den freien darstellenden Künsten vorweisen. Die Projekte sollen über einen eigenständigen ästhetischen Ausdruck verfügen, relevante Diskurse der Gegenwart reflektieren und eine Bereicherung für die freie Münchner Szene darstellen.

Die maximale Förderungshöhe für Einzelprojekte beträgt 100.000 Euro. Es erfolgt eine Förderung der Produktion und einer begrenzten Zahl von Aufführungen. Komplementärfinanzierungen sind schlüssig nachzuweisen.

Die Förderung richtet sich an Künstler*innen aller Altersgruppen, für den Beginn der künstlerischen Laufbahn ist die Einzelprojektförderung vorgesehen.

Wichtiger Hinweis

Bitte beachten

Aufgrund der geplanten Haushaltskonsolidierung für das Jahr 2025 kann es zu Abweichungen der empfohlenen Fördersummen kommen.

Die Einzelprojektförderung für Freie Tanzschaffende erhielten

Alina Belyagina: Please speak and describe your experiences as they come to you

Die in der Ukraine geborene und seit einigen Jahren in München lebende Choreografin Alina Belyagina hat mit dem Debüt „Getting our wonder smashed“ eine Arbeit präsentiert, in der sich auf brutal-poetische Art und Weise körperpolitische Diskurse und philosophische Reflexionen immanent manifestieren und greifbar werden. Als Künstlerin macht sie nicht nur durch starke und radikale Haltungen, sondern besonders durch zukunftweisende Ausgangs­fragen auf sich aufmerksam. Ausgehend von einem grundsätzlichen Interesse an Choreo-Politik und Xenofeminismus will Belyagina für das Stück „Please speak and describe your experiences as they come to you“ (AT) traditionelle choreografische Strukturen in Frage stellen und alternative Ansätze erkunden, die nicht-lineare Erzählweisen und feministisches dramaturgisches Denken im Tanz priorisieren und phallozentrische Strukturen ablehnen. Die Jury ist überzeugt, dass Alina Belyagina mit dem inspirierten und klug ausgearbeiteten künstlerischen Konzept und der eindrücklich nachhallenden choreografischen Sprache eine Arbeit von eigensinniger Qualität und Wirkungsmacht entwickeln wird. Die Jury empfiehlt deshalb, den Weg dieser vielversprechenden Künstlerin durch die Einzelprojektförderung in Höhe von 34.000 Euro zu unterstützen.

Bruch GbR: SPIRIT PLASTIC

Bruch GbR, ein visionäres Kollektiv, setzt mit dem Projekt "Spirit plastic" die tiefgehenden Recherchen zur Dada-Künstlerin Elsa von Freytag-Loringhoven (1874-1927) fort, die um 1900 in München lebte. Dieses Projekt stellt den Höhepunkt mehrjähriger Untersuchungen zur einzigartigen Poetik der Künstlerin dar. Gemeinsam mit einer international renommierten Gruppe herausragender Tänzer*innen, möchte Bruch GbR das unvollendet gebliebene letzte Projekt von „Baroness Elsa“ als Performance-Installation neu imaginieren: Das kurz vor ihrem Tod in Paris eröffnete Studio für experimentelles Modeling.

SPIRIT PLASTIC wird als ein lebendiges Archiv konzipiert, das die autofiktionalen Schriften und künstlerischen Visionen von Elsa von Freytag-Loringhoven aufgreift und in eine zeitgenössische Performance überführt. Die Thematik wurde bereits durch ein Stipendium intensiv erforscht, was eine Tiefe und fundierte Basis des Projekts ergibt. Die Zusammenarbeit mit einer talentierten Tänzerin, die als gute Partnerin für dieses anspruchsvolle Vorhaben gilt, verspricht eine spannende und inspirierende Umsetzung.

Dieses Projekt fügt sich hervorragend in die Tradition der Munich Dance Histories ein und bereichert die Münchner Tanzszene durch seinen interdisziplinären Zugang, der Tanz, Literatur und Performance-Kunst miteinander verbindet. Die Jury ist überzeugt von der innovativen Herangehensweise und dem hohen künstlerischen Potenzial des Teams. Daher empfiehlt die Jury eine Einzelprojektförderung in Höhe von 76.950 Euro.

Léonard Engel: Carcasse

Der seit 2018 in München arbeitende, ehemalige Solist des Bayerischen Staatsballetts, Léonard Engel beschäftigt sich in seinen Arbeiten kontinuierlich mit der Erforschung der Verbindungen zwischen dem Körper, den Emotionen und ihren sozialen Dimensionen. Mit dem Projektvorhaben „Carcasse“ will Engel nun einen Ansatz weiterverfolgen, der bereits Grundlage seiner Produktion „Orchids“ war: Die Erforschung des Körpers und seiner Affekte im Kontext gesellschaftlicher Themen und deren Umsetzung in Bewegung und choreogra-­fische Sprache. Dabei steht das Zusammenspiel von Abscheu und Faszination über den Verfall des organischen Körpers im Mittelpunkt. Während die in „Orchids“ erforschten Emotionen positiver Natur waren, wendet sich Engel nun dem Ekel als emotionales, körperliches und soziokulturelles Phänomen zu. Ausgangspunkt für „Carcasse“ sind die mit dem organischen Körper verbundenen Emotionen und Empfindungen, die uns an unsere eigene Sterblichkeit erinnern. Die Untersuchung der Art und Weise, wie sich der Körper in einem Zustand des Ekels bewegt, welche Körperlichkeit er offenbart und welche körperlichen Reaktionen er auslöst, dient Engel als Werkzeug für die choreografische Gestaltung seines Vorhabens. Neben der biologischen (Schutz-)funktion des Ekels interessiert Engel vor allem mit Bezug auf Julia Kristeva die Rolle des „moralischen“ Ekels als Reaktion auf Systemstörungen und Grenzverletzungen. Der Ekel soll von den fünf Performer*innen daher nicht nur als emotionales und körperliches Phänomen untersucht werden, sondern auch als sozio-kulturelle Kraft, die unsere Wahrnehmung von Ablehnung und Menschlichkeit prägt. Um diese soziale Dynamik des Ekels erkunden zu können, will Engel für dieses Projekt erstmals mit einer größeren Besetzung von fünf Darsteller*innen zusammenarbeiten und sein Team um neue Kollaborateur*innen erweitern, welche auch neue Perspektiven in den kreativen Prozess einbringen sollen. Die Jury sieht in dem Vorhaben erneut einen originellen Zugriff auf ein gesellschaftlich relevantes Thema und empfiehlt eine Einzelprojektförderung in Höhe von 83.000 Euro.

Lena Grossmann: WHAT DO YOU NEED TO SEE? – ON BEING WATCHED

Als Künstlerin und Choreografin hat sich die mit dem Bayerischen Kunstförderpreis prämierte Lena Grossmann in den vergangenen Jahren zu einer festen Größe in der Münchner Tanzszene etabliert. Nach ihrer Debütförderung von „code and shadow; reverse TRIO“ (2019) nutzte sie die dreijährige produktionsunabhängige Förderung, um einen inter­disziplinären Austausch zwischen Tanz, Choreografie, bildender Kunst, Performance und Theater anzustoßen und ein gut durchdachtes Netz aus Wissenskollaborateur*innen zu knüpfen, in dem sie ihre eigenwillige künstlerische Stimme weiterentwickeln konnte.

Tief in den theoretischen Diskursen der Künste verankert, sind ihre Arbeiten einerseits an der Schnittstelle von Kunst und Wissen(schaft) situiert und andererseits öffnen sie vielfältige Zugänge und Räume für ein breites interdisziplinäres Publikum. Davon zeugen etwa die beiden Einzelausstellungen ihrer performativen Installation „Mimetic Bodies“ in der Lothringer 13 Halle (2022) sowie im Kunstverein Freiburg (2024).

Vorausgegangen ist ihrem Antrag für das Stück „What do you need to see – on being watched“ eine Künstlerresidenz bei „What is the City?“ an den Münchner Kammerspielen. 2022 noch in Zeiten der Corona-Pandemie stattfindend, lotete Lena Grossmann im Rahmen dieser Residenz Distanzverhältnisse im menschlichen Miteinander aus und untersuchte mimetische Prozesse im öffentlichen Raum.

Die Ergebnisse ihrer Recherche zu diesen impliziten Blickbeziehungen und Machtstrukturen fließen nun in das geplante Stück mit ein, um Publikumspositionen sowie Erwartungs­haltungen und Sehgewohnheiten im performativen Moment zu befragen. Wesentlich ist hierbei für die an der Schnittstelle von Choreografie, Komposition und bildender Kunst agierende Künstlerin das räumliche Setting, das sich in einer zweiteiligen Struktur als Eins-zu-eins-Begegnung mit den Tänzer*innen und einer sich hieraus generierenden Performance für ein größeres Publikum entfaltet. Lena Grossmans Recherchen sind stets nah am Körper geführt und werden in verschiedenen Medien entlang eines eigens ent­wickelten Notationssystems reflektiert. Ihre künstlerische Herangehensweise beeindruckt durch detailgenaue wie auch sensible Prozessorientierung und einer präzisen choreogra­fischen Arbeitsweise „Wie betrachte ich einen anderen Körper?“, „Was sind meine persön­lichen Kriterien?“, „Womit identifiziere ich mich gerne?“: Das sind einige der Fragen, die nicht nur in einer kunsttheoretischen Perspektive relevant sind, sondern zunehmend in der kritischen Perspektivierung eurozentristischer Diskurse auftauchen. Sie wurden in Grossmanns „Performance Practice Labs“ verhandelt. Diese wohl überlegte und viele Perspektiven miteinbeziehende Auseinandersetzung lässt ein kritisches wie facettenreiches Stück erwarten. Die Jury befürwortet Lena Grossmanns Antrag und empfiehlt eine Einzelprojektförderung in Höhe von 51.966,00 Euro.
 

Micha Purucker: habermas-disco

Micha Purucker, ein etablierter und kontinuierlich innovativer Künstler in der Münchner Tanzszene, widmet sich in seinem neuesten Projekt „habermas-disco" der Verschmelzung zweier bedeutender Orte der Münchner Stadt- und Geistesgeschichte aus der Zeit nach den Olympischen Spielen. Das Projekt beleuchtet das Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg und die legendären Musicland Studios im Arabella Park.

In einem vibrierenden, energetischen Raum entsteht durch eine Gruppe talentierter Performer*innen eine eindringliche Szenerie, die das Scheitern des damaligen Aufbruchs und die heutige Ernüchterung thematisiert. Diese innovative Inszenierung greift auf das Wissen und die Erfahrungen von damals zurück und verbindet sie mit der heutigen Perspektive, um die Kontinuität und Veränderungen der letzten vier Jahrzehnte zu reflektieren.

Mit einer beeindruckenden Karriere von über 40 Jahren und der Realisierung von einer ähnlich großen Anzahl von Werken hat Purucker die Tanzszene inhaltlich bereichert und immer wieder neue, wenn auch zuweilen schwer zugängliche, Perspektiven eröffnet. Sein intergenerationeller Ansatz regt zur Reflexion über die Entwicklung und Zukunft der Stadt an.

Die Jury ist von der kreativen und tiefgründigen Herangehensweise des Projekts „habermas-disco" überzeugt. Die thematische Auseinandersetzung und die innovative Umsetzung versprechen eine bereichernde Ergänzung zur Münchner Tanz- und Kulturszene. Daher empfiehlt die Jury eine Einzelprojektförderung in Höhe von 56.200 Euro.
 

Rykena/Jüngst GbR: STRIPPING BOLERO (AT)

Lisa Rykena und Carolin Jüngst wagen sich in „stripping bolero“ an eines der bekanntesten und meist vertanzten Stücke der Musikgeschichte. In einer humorvollen und erotischen Verhandlung von Körperbildern und Körperpolitiken arbeitet das Duo methodisch, musikalisch und choreografisch am Thema des Höhepunkts. Durch das sogenannte Erotic Storytelling als künstlerische Methode sezieren sie Tanzstile wie z.B. Striptease oder Lapdance, um ein kraftvolles Stück zu kreieren, das Diversität von Körpern und Wahrnehmungen feiert und durch eine Ästhetik der Einladung dazu ermutigt, sich von Repräsentationen abseits der Norm verführen zu lassen.

Das Duo Rykena/Jüngst arbeitet seit 2016 erfolgreich zwischen den Städten München und Hamburg. Ihre mit der Debütförderung der Landeshauptstadt München unterstützte Produktion „She Legend“ wurde 2020 zur Tanzplattform nach Berlin eingeladen. Von 2022 bis 2024 erhielten die Rykena/Jüngst GbR die Optionsförderung Tanz. Mit ihrem niederschwelligen künstlerischen Ansatz, in dem popkulturelle Referenzen aus z.B. der Comicwelt mit zeitgenössischem Tanz auf humoristische und zugleich queerfeministische Weise verwoben werden, überzeugt das Duo breite Publikumsschichten. In ihrer Arbeit beschäftigen sich Rykena/Jüngst tiefgehend mit Strukturen von Zugänglichkeit und Barriereabbau. In diesem Kontext ist die Jury besonders von dem Ansatz überzeugt, die Vorstellungen von „stripping bolero“ durch die tänzerische Integration von Audiodeskription und Gebärdensprache auf anderen Wahrnehmungsebenen erfahrbar zu machen. Die Jury sieht in dem Projektvorhaben einen spannenden, schlüssigen Ansatz und empfiehlt die Einzelprojektförderung in Höhe von 93.000 Euro.

  • 2024
    Stephanie Felber; Stephan Herwig; Kolja Hunek; Jasmine Ellis; Anna Konjetzky/Orten/Schneider/Huby; Jin Lee und Jihun Choi; Micha Purucker; Rosalie Wanka
  • 2023
    Matteo Carvone; Sandra Chatterjee; Leonard Engel; Stephanie Felber; Anna Konjetzky; Micha Purucker; Katja Wachter; Alfredo Zinola
  • 2022
    Diego Tortelli & Miria Wurm GbR; Jasmine Ellis Felber; Stephan Herwig; Micha Purucker; Zufit Simon

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