Gutachten für kühle Orte in der Altstadt
Ein Gutachten zeigt, wie sich Bäume, Grün und Wasser positiv auf die Aufenthaltsqualität in der Altstadt auswirken - unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes.
Ideen für eine klimafitte Altstadt
Alle 150 Meter ein kühler, auch an Hitzetagen angenehmer Aufenthaltsort in der Münchner Altstadt – das schlägt ein Gutachten vor, das das Münchner Büro mahl gebhard konzepte im Auftrag des Referats für Stadtplanung und Bauordnung erstellt hat. Das gut 100-seitige Gutachten Integration von klimaresilienten Grün- und Freiraumstrukturen in die historische Münchner Altstadt erläutert Möglichkeiten, wie man die Altstadt mittels Bäumen, Grünflächen und Wasser widerstandsfähig gegen die Auswirkungen des Klimawandels machen kann. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den speziellen denkmalpflegerischen Belangen im sogenannten Altstadtensemble.
Flächen entsiegeln, Bäume pflanzen, Fassaden begrünen
Um den Auswirkungen des Klimawandels entgegenzuwirken, sollen beispielsweise Flächen entsiegelt, Bäume gepflanzt, Fassaden und Dächer begrünt und verstärkt Wasser als kühlendes Element eingesetzt werden. Erarbeitet haben die Vorschläge das Münchner Büro mahl gebhard konzepte, Andreas Hild, Professor für Entwerfen, Umbau und Denkmalpflege an der Technischen Universität München, und Stephan Pauleit, Professor für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung, ebenfalls TU München, in enger Zusammenarbeit mit dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung, dem Baureferat, dem Referat für Klima- und Umweltschutz, dem Kommunalreferat sowie der Denkmalpflege. Gefördert wurde das Gutachten vom Freistaat Bayern im Rahmen der EU-Innenstadt-Förderinitiative, mit der Mittel der Europäischen Union aus dem Programm REACT-EU zur Verfügung gestellt werden.
Die Vorschläge des Gutachtens dienen dazu, den Menschen den Aufenthalt in der Innenstadt vor allem in den heißen Sommermonaten angenehmer zu machen. Um herauszufinden, wo sich besondere Hitzebereiche befinden, haben das Kommunalreferat und das Fraunhofer-Institut mikroklimatische Simulationen erstellt. Sie zeigen die Notwendigkeit, die hohe bioklimatische Belastung für den Menschen in der Altstadt zu verringern.
Synergien von Klima- und Denkmalschutz
Sukzessive soll in den kommenden Jahren die Altstadt so umgestaltet werden, dass die Menschen in der Innenstadt mit Hitzesommern und Starkregen besser zurechtkommen. Die Umgestaltung soll die spezifischen Ansprüche der historischen Altstadt berücksichtigen und ihre Identität als Ensemble bewahren. Um dies zu gewährleisten, können Grünstrukturen zum Beispiel in Anlehnung an historische Vorbilder integriert werden. Exemplarische Vorschläge für eine weitere Diskussion sind:
- neue Grünflächen auf dem Marstallplatz
- Wiederherstellung des Alleecharakters in der Maximilianstraße
- Wasserteppich auf dem Max-Josephs-Platz
Bei besonders bedeutsamen Orten und Gebäuden muss jedoch darauf geachtet werden, dass sie infolge einer möglichen Umgestaltung nicht an identitätsstiftender Wirkung verlieren. Damit eng verbunden ist die Nutzung der Synergieeffekte zwischen Denkmal sowie Grün- und Freiraumstrukturen. Die unter Denkmalschutz stehenden Orte sollen nicht nur erhalten, sondern im Sinne der Denkmalpflege und der Klimaanpassung zukunftsfähig weiterentwickelt werden. Durch die Ergänzung etwa mit Bäumen, Heckenstrukturen oder Grünflächen lässt sich die Erlebbarkeit der historischen Orte langfristig erhalten und im besten Falle verbessern, so die Autor*innen des Gutachtens.
Vorschläge für eine klimawirksame Umgestaltung
Zu den wichtigsten Vorschlägen in dem Gutachten zählen ein 150-Meter-Raster von kühlen Orten, kurzfristig umsetzbare, temporäre Maßnahmen sowie sechs sogenannte Fokusräume, für die beispielhaft untersucht wurde, wie sich Grün- und Freiraumstrukturen in die historische und denkmalgeschützte Altstadt integrieren lassen.
Sechs Fokusräume
- Hackenplatz mit Hacken- und Brunnstraße
- Marstallplatz
- Maximilianstraße
- Prannerstraße
- Max-Joseph-Platz
- Peterhof
Die Konzeptentwürfe und Handlungsempfehlungen für diese sechs Orte erläutern, wie die Altstadt fit für die Auswirkungen der Klimaveränderungen gemacht werden kann und sich zugleich die Grün- und Freiräume in der Altstadt aufwerten lassen.
Vorschlag: Kühle Orte im 150-Meter-Raster
Noch ist es nicht möglich, alle 150 Meter einen geschützten und kühlen Ort in der Altstadt zu erreichen und sich dort auszuruhen. Vor allem zwischen Rathaus, Marienplatz und Odeonsplatz sowie um die Maximilianstraße gibt es derzeit keine entsprechenden Erholungsorte im geforderten Radius. Ein Ort, der im Sommer schon jetzt einen angenehmen, weil kühlen Aufenthalt ermöglicht, ist der Rindermarkt mit seinen schattigen Großbäumen, Wasser und vielen Sitzmöglichkeiten.
Vorschlag: Temporäre Maßnahmen
Weil sich viele Umgestaltungsideen nicht von heute auf morgen umsetzen lassen, schlägt das Gutachten auch temporäre Maßnahmen und experimentelle Projekte vor. Mit ihnen lassen sich auch mit wenig zeitlichem und planerischem Aufwand Verbesserungen erzielen. Darunter fallen etwa Markisen oder Sonnensegel. Auch Pflanztröge, Wanderbäume oder mobile Nebelduschen können einen wichtigen Beitrag leisten. Da sie nicht fest eingebaut sind, lassen sie sich flexibel in der Altstadt aufstellen. Experimentelle Projekte eignen sich besonders gut, um Spielräume zu zeigen und Lösungsansätze zu entwickeln.
Vorschlag: Umgestaltung Hackenplatz
Mithilfe von Visualisierungen auf Basis des Digitalen Zwillings und von mikroklimatischen Simulationen wurden beispielhaft für den Hackenplatz die Auswirkungen einer Umgestaltung untersucht. Das Ergebnis: Zusätzliche Bäume, eine Umgestaltung in Richtung höherer Aufenthaltsqualität und Fassadenbegrünung führen dazu, dass sich Hackenplatz und Hackenstraße im Sommer deutlich weniger stark erhitzen. Für die Anwohner*innen bedeutet dies unter anderem, dass es vor allem nachts kühler wird.
Die nächsten Schritte
Das Gutachten soll nun dem Stadtrat vorgelegt werden. In den kommenden Jahren macht sich die Stadt in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege, Anwohner*innen und Geschäftsleuten daran, die Altstadt behutsam so umzugestalten, dass die dort lebenden und arbeitenden Menschen besser mit den Auswirkungen des Klimawandels zurechtkommen und sich zugleich die Aufenthaltsqualität für alle erhöht.
Die Grundlagen
Grundlage des Gutachtens "Integration von klimaresilienten Grün- und Freiraumstrukturen in die historische Münchner Altstadt" ist das Freiraumquartierskonzept Innenstadt. Dieses Konzept enthält zahlreiche Vorschläge, wo in der historischen Altstadt Freiräume neu begrünt und bestehende Grün- und Freiflächen aufgewertet werden sollen.