Projektpartnerschaft mit Kasserine
Kasserine (Tunesien) und München engagieren sich gemeinsam in den Bereichen Kreislaufwirtschaft und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
Gemeinsam für die Kreislaufwirtschaft
Seit 2017 tauschen die Landeshauptstadt München und Kasserine ihre vielfältigen Erfahrungen und Kompetenzen aus. Aktuell wird auf Anfrage Kasserines ein Projekt zur Abfall- und Kreislaufwirtschaft durchgeführt. Hierzu wurde seit 2020 eine Strategie zur Einführung einer Kreislaufwirtschaft im Abfallwirtschaftsbereich ausgearbeitet und seit 2022 umgesetzt. Neben Sensibilisierungskampagnen wurden Komposter zur Heimkompostierung an Haushalte in einem Pilotviertel verteilt und große Gitterboxen zur Sammlung von Plastik an öffentlichen Plätzen aufgestellt. Durch die Maßnahmen wird die Abfallmenge reduziert, organische Abfälle als Kompost wiederverwendet und das gesammelte Plastik recycelt.
Macher*innen bei der LHM
Der Fachbereich Europa und Internationales des Referats für Arbeit und Wirtschaft koordiniert die Kooperation zwischen den beiden Kommunen. Mit ihrer jeweiligen Fachexpertise bringen sich auch das Referat für Bildung und Sport und ein Senior Expert des Abfallwirtschaftsbetriebs München ein. An der ersten Phase des Projekts war das Baureferat maßgeblich beteiligt.
Ohne Moos auch hier nix los
Die Bundesregierung unterstützt internationale Kooperationen mit Herkunfts- und Aufnahmeregionen von Geflüchteten. Das Programm "Kommunaler Know-How-Austausch Maghreb-Deutschland II" ist Teil dieser übergeordneten Bemühungen.
Neben vielen weiteren Kommunen wird auch die Projektpartnerschaft zwischen München und Kasserine von diesem Programm begleitet und mit Bundesmitteln von Engagement Global gGmbH/Servicestelle Kommunen in der Einen Welt im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt.
Meilensteine der Partnerschaft
Zwischen 2017 und 2021 wurde im Viertel Cité Aouled Nasrallah der Platz Parc de la Cité Olympique entwickelt. Das Besondere daran: Die Bürger*innen Kasserines brachten ihre Anregungen und Wünsche ein. München und die tunesische Stadt tauschten Wissen und Erfahrungen zu partizipativen Prozessen für eine nachhaltige Stadtentwicklung aus. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
Für die zweite Phase legten die Projektpartner Abfallmanagement als Thema fest. Sie identifizierten drei Schwerpunkte:
- Abfälle reduzieren und recyceln
- Kasseriner Bevölkerung sensibilisieren
- Potentiale junger Unternehmer*innen fördern
Berater Walid Mejdoub unterstützte das Projekt: Er erarbeitete eine ausführliche Studie zur Typisierung der Abfälle. Ein Pilotviertel erprobte das Trenn- und Recycling-System, inklusive Kompostierung von Bio-Abfällen.Von August 2022 bis Februar 2023 rollten Stadtverwaltung und Zivilgesellschaft die Sensibilisierungskampagne aus. Im dritten Schritt stiegen junge Unternehmer*innen und Influencer*innen ein, um zu zeigen, wie Abfälle (auch wirtschaftlich) genutzt werden können.
Ein peer-to-peer-Austausch funktioniert besonders gut. In diesem Sinne fanden erste digitale Austauschformate zwischen dem Lycée Pilote Kasserine und dem städtischen St.-Anna-Gymnasium München statt. Trotz der Distanz bewegen ganz ähnliche Themen die Schüler*innen in den beiden Kommunen: Wie gestalten wir einen erfolgreichen Umwelt-Projekttag? Wie organisieren und pflegen wir unseren Schulgarten? Wie können wir Ressourcen, wie beispielsweise Papier, sparen?
Die LHM unterstützte mit finanzieller Förderung durch die SKEW den Kauf von zwei Containern und mehreren Kompostern. Die Container wurden an zentralen Orten in Kasserine aufgestellt. Sie sollen die Arbeit der vielen Flaschensammler*innen erleichtern und zur Sauberkeit beitragen. Die Komposter kommen im Pilotviertel zum Einsatz. Aus Haus- und Gartenabfällen wird Humus, der wiederum in den Gärten und auf den Feldern zum Einsatz kommt. Sensibilisierungsmaßnahmen wie Workshops zu Recycling und Kompostierung begleiteten beide Beschaffungen.
Workshops, Kunstaktionen, Stadtviertel-Feste, Märkte mit Naturkosmetik und recycelten Produkten - all diese Maßnahmen trugen dazu bei, bei der Bevölkerung Kasserines ein breites Bewusstsein für Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Hier arbeiteten Stadtverwaltung, Schulen und Zivilgesellschaft eng zusammen.
Im Juli 2023 konnte eine Delegation aus Kasserine das Abschlussmodul "Schule N" an der Grundschule an der Stielerstraße miterleben. Das Modul wurde, genau wie der ganze Weg zur nachhaltigen Schule, von Ökoprojekt Mobilspiel gestaltet. Spätestens seit dieser Begegnung ist der Verein eng mit Green Kasserine verbunden. Beide Organisationen verbindet ein gemeinsames Anliegen: Der Wandel hin zu einer sozial und ökologisch gerechten Gesellschaft.
Junge Unternehmer*innen sind, in München wie in Kasserine, wichtige Akteure in Transformationsthemen, wie zum Beispiel in der Kreislaufwirtschaft. Um diese wichtige Ziel- und Multiplikator*innen-Gruppe zu erreichen und zu unterstützen, lobten die beiden Partnerkommunen am 19. Oktober 2023 einen Wettbewerb für innovative Gründer*innen aus.
Kluge Köpfe für kluge Lösungen
Neun Bewerbungen gingen ein – eine beachtliche Anzahl für eine kleine Gemeinde wie Kasserine! Die Ideen waren vielfältig und kreativ, sie reichten vom Aufbau einer Kompostierungsanlage über eine Corporate Social Responsibility Zertifizierung bis zu nachhaltiger Geflügelzucht. Fünf Gründer*innen erreichten die zweite Runde: eine 50-minütige Online-Beratung für Start-ups!
Die Online-Beratung wurde von Alexander Schmidbauer (Referat für Arbeit und Wirtschaft), Experte für Gründungen und Start-Ups, durchgeführt. Im Anschluss waren die Teilnehmer*innen aufgerufen, bis zum 17. November kurze Videos mit ihren Projekt-Pitches einzureichen.
So wurde ausgewählt
Am 24. November fand die Auswahl der Gewinner*innen statt. Die Jury bestand aus Vertreter*innen der Kommunalverwaltungen von Kasserine und München, jede Kommune erhielt gleichberechtigt eine Stimme. Zudem waren zwei Mitarbeiter*innen der GIZ Tunesien dabei, die eine Empfehlung aussprachen. Bewertet wurde anhand von vier Kriterien:
- Potential der Idee
- Qualität des Businessplans
- Beitrag zur Kreislaufwirtschaft in Kasserine
- Sinnvoller Einsatz des Preisgeldes
Am 28. November fand dann online die Preisverleihung statt. Die stolzen Sieger*innen des Start-Up-Wettbewerbs, die sich über je 5.000 Euro Preisgeld freuen dürfen, sind:
- Ichraf Kahri, die mit ihrer genialen wie simplen Idee überzeugen konnte: Sie will Kaffeesatz der lokalen Cafés und Restaurants sammeln, um darauf Pilze (Champignons etc.) zu züchten
- Maamri Fakher, der sich das ehrgeizige Ziel gesetzt hat, eine Anlage zu bauen, die aus Marmor-Resten aus den umliegenden Steinbrüchen Ziegel presst
- Houssem Mnasri, der mit seinem Anliegen begeisterte, Elektroschrott zu recyclen und so die negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu bekämpfen – und durch die Weiterverwendung einen neuen Mehrwert zu schaffen
2024 werden die guten Ideen in die Tat umgesetzt werden - das Referat für Arbeit und Wirtschaft wird den Partnern in Kasserine natürlich beratend zur Seite stehen.
Film: Ein Platz für alle
Situation Kasserines in Tunesien
Kasserine erstreckt sich über 2000 Hektar im tunesischen Hinterland. Die Kommune liegt in der Nähe der Grenze mit Algerien. Sowohl die Region als auch die Regionalhauptstadt heißen Kasserine.
Die Stadt hat ca. 90.000 Einwohner und ist trotz ihrer wachsenden Einwohneranzahl in Tunesien regional marginalisiert. Die Arbeitslosigkeit liegt, wie in ganz Tunesien, bei über 50%, zudem arbeiten viele Menschen im informellen Sektor.
Deutschland und speziell Bayern sind in Tunesien sehr aktiv. Seit 2015 kam mit der Zunahme von Geflüchteten eine weitere Dimension hinzu. Der Münchner Stadtrat beschloss daher, in den Ursprungsländern aktiv die Kommunen zu unterstützen, um die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern.
München engagiert sich in dieser Region, um mittelfristig Perspektiven vor Ort zu schaffen und dezentrale Strukturen zu stärken.