Jeder Mensch hat einen Namen

Gedenkveranstaltung am 9. November 2025 um 18 Uhr im Alten Rathaus anlässlich des 87. Jahrestages der Progromnacht 1938

Gedenken an den November 1938

Gedenken am 9. November
Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

Am 9. November gedenkt die Landeshauptstadt München alljährlich ihrer jüdischen Bürgerinnen und Bürger, die in der Pogromnacht 1938 und in den darauffolgenden Jahren entrechtet, verfolgt, deportiert, in den Suizid getrieben oder ermordet wurden.

87 Jahre danach erinnert die diesjährige Gedenkveranstaltung im Saal des Alten Rathauses, dem historischen Ort der Proklamierung der ‚Kristallnacht‘, insbesondere an das Schicksal verfolgter jüdischer Kinder und Jugendlicher.

Livestream der Gedenkveranstaltung

Der Livestream startet am 9. November 2025 um 18 Uhr.

Gedenkveranstaltung im Alten Rathaus

Die Veranstaltung am 9. November 2025 im Alten Rathaus (Marienplatz 15) beginnt um 18 Uhr.

Ansprachen

  • Dieter Reiter
    Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München
  • Dr. h. c. mult. Charlotte Knobloch
    Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern

Vortrag

  • „Alle anständigen Menschen müssten mit Abscheu von dieser Nazi-Partei abrücken“. Moralische (Selbst-)Vergewisserung in der NS-Zeit 1933-1945.
    Prof. Dr. Frank Bajohr
    Professor am Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität München

Gedenken an das Schicksal vertriebener sowie ermordeter ehemaliger jüdischer Schüler des Maximiliansgymnasiums und ihrer Familien vorgetragen von Schüler*innen des Maximiliansgymnasiums

El Male Rachamim (Gedenkgebet)
Rabbiner Shmuel Aharon Brodman

Musikalische Umrahmung unter Leitung von Anton Waas durch Schüler*innen des Maximiliansgymnasiums

Anmeldung zur Gedenkveranstaltung im Alten Rathaus bis 5. November 2025 unter www.nsdoku.de/gedenken9nov38

Die Teilnahme ist kostenfrei. Weitere Informationen sowie das Begleitprogramm zum Gedenktag finden Sie unter www.gedenken9nov38.de.

Information

Veranstalter

Die Gedenkveranstaltung wird organisiert von der Arbeitsgruppe „Gedenken an den 9. November 1938“ unter der Schirmherrschaft des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter.

Das Novemberpogrom 1938 und seine Folgen

Verkohlter Dachbalken der Synagoge „Ohel Jakob“ in der Herzog-Rudolf-Straße
Stadtarchiv München
Verkohlter Dachbalken der Synagoge „Ohel Jakob“ in der Herzog-Rudolf-Straße

Die sogenannte Reichskristallnacht vor 87 Jahren war ein beklemmender Höhepunkt der nationalsozialistischen Aggression und ein nicht übersehbarer Gewaltexzess gegen jüdische Männer, Frauen und Kinder. Er brachte Angst und Verzweiflung, extreme psychische Belastung und existenzielle Bedrohung über die jüdischen Familien. Die schreckliche Wirkkraft dieses Tages ist bis in unsere unmittelbare Gegenwart spürbar. Besonders verletzliche Opfer der rassistischen Verfolgung waren Kinder und Jugendliche. In der Schule, in Vereinen und allen anderen gesellschaftlichen Bereichen waren sie weitgehend schutzlos der Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung ausgesetzt. Der Druck auf jüdische Kinder und Jugendliche und ihre soziale Isolation hatte seit 1933 kontinuierlich zugenommen - insbesondere im Schulbetrieb. Bereits 1933 wurden die meisten der jüdischen Lehrkräfte und Schulbeamten entlassen. Das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ von 1934, das nur noch eineinhalb Prozent „nicht arische“ Schulkinder an Gymnasien zuließ, verwehrte vielen Kindern aus jüdischen Familien einen höheren Schulabschluss.

In München ging man noch weiter. Das Schulamt forderte über die Schulleitungen der Volksschulen jüdische Eltern auf, ihre Kinder aus der Schule zu nehmen. Diese Nötigung hatte zur Folge, dass fast alle jüdischen Grundschulkinder in München von den Pfichtschulen verdrängt wurden. 1935 waren bereits rund 25% aller deutschen Lehrkräfte in die nationalsozialistische Partei eingetreten. Rassenkunde und Rassenideologie wurde an den Schulen gelehrt und praktiziert, jüdische Kinder mussten Demütigungen und Benachteiligung erleiden. Schlag auf Schlag veränderten antijüdische Gesetze und Verordnungen das Leben der Kinder und das ihrer Familien; Hoffnungen für die Zukunft und Lebenswege wurden irreparabel zerstört. In den Novembertagen des Jahres 1938 waren in München über 1.000 Männer, oft Familienväter, nach einer brutalen Hetzjagd ins KZ Dachau verschleppt worden, wo sie gedemütigt, misshandelt und manche von ihnen getötet wurden. Für deren Kinder war die Geborgenheit in der Familie ein für alle Mal vorbei.

Unmittelbar nach den Novemberpogromen kam der Erlass des Reichsministeriums für Wissenschaften, dass jüdischen Kindern der Besuch deutscher Schulen grundsätzlich nicht mehr gestattet sei; sie durften nur noch jüdische Schulen besuchen. Die jüdischen Gemeinden mussten dazu ihr eigenes Schulwesen ausbauen. Nach dem 9. November 1938 wurde die jüdische Schule, die unmittelbar an die in der Pogromnacht zerstörte und ausgebrannte Ohel-Jakob-Synagoge in der Herzog-Rudolf-Straße grenzte, bis Januar 1939 geschlossen. Hatten die Schülerzahlen an der jüdischen Schule 1936 mit 400 noch ihren Höchststand erreicht, waren es im Oktober 1941 nur noch 99. Viele der Schulkinder hatten durch Trennung von den Eltern mit „Kindertransporten“ von Fluchthilfeorganisationen oder die oft gefahrvolle Emigration mit ihren Familien ins sichere Ausland gelangen können. Als am 20. Juni 1942 die jüdischen Schulen dann reichsweit endgültig geschlossen wurden, war das Ende der Geschichte der jüdischen Schule in München bereits vollzogen. 57 von den verbliebenen 99 Kindern und drei Lehrkräfte waren am 20. November 1941 mit ihren Familien nach Kaunas, 29 Kinder mit Familien, eine Lehrerin und eine Aushilfe am 4. April 1942 nach Piaski deportiert und ermordet worden. Von den letzten 13 Schülerinnen und Schülern der jüdischen Schule mussten die meisten im Milbertshofener Lager wohnen. Dort stellte ihnen der als einziger verbliebene Lehrer und Schulleiter, Dr. Siegfried Keßler, etwas Schulmaterial bereit.

Für alle Münchnerinnen und Münchner erkennbar hatte die erbarmungslose Verfolgung der jüdischen Kinder und ihrer Eltern, die in Deportation und systematischer Ermordung endete, am 9. November 1938 ihren Ausgang genommen.

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